Kühlen Kopf bewahren: Wie wir Fehler beim Verhandeln vermeiden

Prof. Dr. Jack Nasher
3 min readDec 29, 2021

Nicht grundlos hat das Forbes-Magazin Professor Jack Nasher als den führenden Verhandlungsspezialisten bezeichnet. Der Autor und Vortragsredner blickt auf eine beeindruckende Karriere in unterschiedlichen Bereichen zurück, die ihn fast schon zwangsläufig zu einem der führenden Verhandlungsexperten des Landes hat werden lassen.

Das Wichtigste beim Verhandeln: die Fehlererkennung

Verhandeln ist gelebte Psychologie. Und wo Psychologie im Spiel ist, kommen auch menschliche Fehler vor. Sie beim Verhandeln rechtzeitig zu erkennen und zu vermeiden — genau das macht eine erfolgreiche Verhandlungsstrategie aus.

Wir wissen — Menschen sind nicht rational. Die meisten wichtigen Entscheidungen im Leben treffen wir auf der Basis emotionaler Beweggründe. Genau das aber führt beim Verhandeln in der Regel ins Abseits. Im Grunde sind es vor allem drei Fehler, die beim Verhandeln immer wieder vorkommen.

Fehler 1: Chaos statt System

Verhandlungen können sich recht komplex gestalten. Es gibt viele Sachthemen, womöglich mehrere verhandelnde Parteien und jede Menge unterschiedlicher Meinungen und Positionen. In dieser Situation sind Emotionen das Ungünstigste, wenn es um einen erfolgreichen Abschluss geht.

Die Kunst beim Verhandeln: kühlen Kopf bewahren, die Übersicht behalten und konsequent bei den Sachthemen bleiben. Wie lautet ein bekannter Ausspruch? Wer schreit, hat unrecht. Wenn wir diejenigen sind, die mit einem konkreten Plan in die Verhandlung gehen, die Themen in eine sinnvolle Reihenfolge bringen und sie ruhig und sachlich bearbeiten, werden auch wir es sein, die die Verhandlung erfolgreich abschließen.

Fehler 2: Emotion statt Sachlichkeit

Dass Menschen emotionsgesteuert sind, haben wir schon erwähnt. Beim Verhandeln eröffnet uns das eine enorme Chance: Bleiben wir selbst ruhig, gewinnen wir einen strategischen Vorteil gegenüber gefühlsgesteuerten Verhandlungspartnern — und das auf zwei Arten.

Zum einen gibt uns die emotional distanzierte Position die Chance, den Verhandlungsgegenstand quasi aus der Vogelperspektive zu betrachten. Wir erkennen, wo die Stellschrauben bei der Verhandlung sind, was unseren Verhandlungspartner antreibt und was ihm besonders wichtig ist.

Zum anderen wirkt ruhiges und sachliches Verhandeln ansteckend. Nicht selten übernimmt der Verhandlungspartner den sachlichen Verhandlungsstil, nämlich dann, wenn er merkt, dass er nicht persönlich angegriffen wird, sondern dass er es mit einem Gesprächspartner zu tun hat, dem es vor allem um die Sache selbst geht.

Fehler 3: Konfrontation statt Kooperation

Ein weit verbreiteter Irrtum bei der Frage nach erfolgreichem Verhandeln ist diese Annahme: Der härteste Hund setzt sich durch. Das ist allerdings in den meisten Fällen eine wenig aussichtsreiche Ausgangssituation.

Selbst wenn sich ein Verhandlungspartner durch besonders aggressives Auftreten und stures Abblocken von Gegenangeboten am Ende durchsetzt, ist die so gefundene Verhandlungslösung in vielen Fällen nicht tragfähig. Mindestens ein Verhandlungspartner fühlt sich ungerecht behandelt und über den Tisch gezogen.

Vielleicht kann der Sieger im Zusammenhang mit dem Verhandlungsgegenstand erst einmal triumphieren. Allerdings ist die Beziehung zwischen den Verhandlungspartnern ab diesem Moment dauerhaft gestört. Das zeigt sich spätestens, wenn es um die Fortführung der geschäftlichen oder privaten Beziehung geht.

Ein erfolgversprechender Ansatz ist das kooperative Verhandeln. Statt sich gegenseitig Maximalforderungen und Drohungen um die Ohren zu hauen, können die Verhandlungspartner ergründen, welche Interessen jeder einzelne in die Verhandlung mitbringt.

Nicht selten ist es möglich, auf der Basis der Berücksichtigung aller Interessen eine gemeinsame, für alle Beteiligte vorteilhafte Verhandlungslösung zu erarbeiten. Erfahrungsgemäß halten Verhandlungsergebnisse, die auf kooperativer Basis entstehen, besonders lange und schaffen stabile und dauerhafte Beziehungen.

Das klassische Beispiel für kooperatives Verhandeln ist der oft erwähnte Streit zweier Frauen um eine Orange. Jede möchte sie haben. Die naheliegendste Lösung ist das Teilen der Orange in zwei Hälften. Das jedoch stellt beide Verhandlungspartnerinnen nur teilweise zufrieden.

Erst die Erkundung der Interessen bringt die ideale Lösung: Während die erste Frau Lust darauf verspürt, eine Orange zu verspeisen, benötigt die zweite Frau vor allem die Schale zum Abreiben für einen Kuchen. Die Verhandlungslösung, die auf dem Erkunden der Interessen beruht, bringt also für beide Verhandlungspartnerinnen die beste aller möglichen Lösungen.

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Prof. Dr. Jack Nasher
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Prof. Dr. Jack Nasher ist führender Verhandlungsexperte, Autor, Wissenschaftler und Vortragsredner. Außerdem ist Nasher Leiter des NASHER-Verhandlungsinstituts.